Nachhaltigkeit mit Chefkoch

Ein nachhaltiger Garten

Tabea und Jan stehen vor einer Wand mit Feuerholz.
Tabea und Jan haben uns in ihrem Garten empfangen.

Foto: Katrin Roland

Wir besuchten Tabea und Jan in ihrem Garten in Alfter und wollten wissen, was es mit nachhaltigem Gärtnern auf sich hat. Wir staunten nicht schlecht, was ein Staudenbeet alles bewirken kann und warum der Anbau von Bohnen jedem Garten guttun würde. 

Als wir bei Jan in Alfter bei Bonn ankamen war es heiß und die Sonne brannte schon am frühen Morgen. So wie eigentlich an jedem Tag in diesem Sommer. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet. Jan ist bei Chefkoch in der IT beschäftigt und eine Kollegin gab uns den Tipp, dass sich ein Blick in seinen Garten lohnen würde – im Auftrag der Nachhaltigkeit. Viel hat sie nicht verraten, nur, dass er einige Gemüsesorten anbaut. Bei dem trockenen Wetter waren wir sehr gespannt, was er uns über seinen Wasserverbrauch erzählen würde. Wachsendes Gemüse möchte schließlich bei Laune gehalten werden.  

An grünen Sträuchern führt rechts ein schmaler Weg entlang.
Rechts führt ein kleiner Weg in den Garten

Foto: Katrin Roland

Die genannte Adresse befindet sich in einem Fachwerkhaus, so wie es für diese Gegend ganz typisch ist. Die Hoftür stand schon offen und Jan und seine Frau Tabea erwarteten uns im sicheren Schatten des Überbaus, der in ihren Garten führt. Seitdem sie hier wohnen, ist dort ganz viel passiert. Noch wussten wir nicht, was uns erwartet und die Frage nach dem Wasserverbrauch erschien uns in Anbetracht der Temperaturen als ein guter Einstieg. Die beiden zuckten nur unbeteiligt mit den Schultern, sie hätten längst aufgehört die Pflanzen zu wässern. Obwohl der große Wassertank an der Hauswand noch halb gefüllt wäre, sei das ein Fass ohne Boden. Abgesehen von denen in den Kübeln, müssten alle Pflanzen zusehen, wo sie bleiben. Jetzt waren wir wirklich irritiert und auf eine vertrocknete Wüste gefasst, während wir um die Ecke in den Garten bogen.

Ein großer Wassertank rechts neben dem Kompost vor einer Wand mit Feuerholz.
Der große Wassertank im Garten ist noch halb voll

(Foto: Katrin Roland)

Der Staudengarten

Als wir dann auf einer kleinen Rasenfläche unter einem riesigen Walnussbaum standen, war nichts so wie erwartet. Von langgezogenen Gemüsebeetflächen, die sauber voneinander getrennt sind, fehlte jede Spur. Vor uns lag ein etwa vier Quadratmeter großes Beet, in dem viele verschiedene Pflanzen wuchsen. Alles grün und bei bester Gesundheit, doch die Pflanzenauswahl erschien uns recht zufällig. Als Jan aber jedes einzelne Gewächs in diesem Beet benannte, begannen wir zu ahnen, dass mehr dahintersteckt. Er erklärte, dass es sich ausschließlich um Stauden handelt. Das sind Blütenpflanzen, die im Gegensatz zu Ein- oder Zweijährigen immer wieder im Frühjahr aus ihren Wurzeln austreiben. Deshalb sind sie auch als mehrjährige Pflanzen kategorisiert. Wenn sie den richtigen Standort haben, benötigen sie keine künstliche Bewässerung, was hier einiges erklärte.

Verschiedene Stauden wachsen in einem Beet
Das Staudenbeet wurde seit Wochen nicht mehr gegossen

(Foto: Katrin Roland)

Das Beste an den Stauden wäre aber, dass deren Blüten Nahrung für Insekten enthalten. Gar nicht so selbstverständlich, wie man denkt, meinte Jan, denn viele der Blumen, die sich heute in Gärten befinden, haben für Insekten überhaupt keinen Wert. Die Blüten von Forsythien, Geranien, Magnolien, Flieder, Bauernhortensien oder sogar die meisten Rosen sähen zwar schön aus, enthalten aber keinen Nektar oder Blütenpollen. So könne ein blühender Garten unter Umständen den Lebensraum von Insekten einschränken und somit zum Insektensterben beitragen, nicht viel besser als ein trostloser Steingarten. 

Von Pflanzen, Insekten, Vögeln, Würmern und Maulwürfen

Tabea und Jan haben mit ganz einfachen Mitteln ein kleines Insektenparadies geschaffen. Im gesamten Garten wachsen locker 40 verschiedene Staudensorten. Das Hauptbeet, wenn man es so nennen mag, beinhaltet unter anderem Hohe Fetthenne, Herzgespann, Königskerzen, Malven, verschiedene Beinwellsorten, etliche Frühjahrsblüher, Storchschnabel und Wermut. Von Anfang an war es das Ziel, insektenfreundlich zu gärtnern und der Natur ein Stück Raum zurückzugeben. Dass das funktioniert, beweisen neben Erdhummeln, Ackerhummeln und Steinhummeln viele andere Insekten. Und die Wechselwirkung zwischen Pflanzen- und Insektenangebot ruft wiederum die Vogelpopulation auf den Plan. In diesem Jahr haben endlich wieder Meisen im Garten genistet und auch unter der Erde hat sich durch den Anbau der Stauden einiges verändert. Der Boden hat an Qualität gewonnen und beinhaltet viel mehr Würmer, Insekten und Larven. Woher Tabea und Jan das wissen? Ein Maulwurf ist vor Kurzem eingezogen, das hätte er nicht getan, wenn ihm der Boden keine Nahrung bietet. Auch wenn diese Mitbewohner für die meisten Gartenbesitzer ein Alptraum sind, sie sind ein Indiz dafür, dass der Boden gesund ist. 

Auf einem grünen großen Blatt sitzt eine Hummel
Eine Hummel auf Futtersuche

(Foto: Katrin Roland)

Dieser kleine Garten zeigt ganz deutlich, dass alles in der Natur miteinander verbunden ist und sich gegenseitig bedingt. Wenn Jan über Pflanzen spricht, wird sowieso schnell klar, dass mehr dahintersteckt als ein grüner Daumen. Es ist ein scheinbar tiefes Interesse und Verständnis für die Natur. Seit seiner Jugend beschäftigt er sich damit, Pflanzen aus Samen zu ziehen und mit grünen Erfolgen und Misserfolgen zu experimentieren. Früher waren es eher Exoten, wie Mammutbäume, heute konzentriert er sich vermehrt auf Stauden und verschiedene Gemüsesorten. 

Dunkel gefärbte Tomatenrispe zwischen grünen Blättern
Im Hochbeet wachsen verschiedene Tomatensorten

(Foto: Katrin Roland)

Das Hochbeet

Passend dazu haben wir dann auch endlich das Hochbeet entdeckt, so wurden unsere Erwartungen auf einen aufgeräumten Gemüsegarten nicht ganz enttäuscht. Eigentlich war der große Holzkasten überhaupt nicht zu übersehen, denn die Tomaten wuchsen meterhoch daraus. Doch anscheinend mussten sich unsere Augen an das ganze Grün-in-Grün gewöhnen. Tabea berichtete, dass wenn es an die Tomatenanzucht geht, der gesamte Esstisch im Wohnzimmer mit etwa 100 kleinen Pappbechern vollsteht. Über mehrere Wochen – bis Mitte Mai die kleinen Pflanzen endlich in das Hochbeet im Garten und in das anliegende Gewächshaus ziehen oder verschenkt werden. In diesem Jahr haben sie sich an 6 verschiedenen Sorten probiert. Darunter auch alte Sorten und Sorten, die in der EU keine Zulassung als Gemüse haben und deshalb lediglich als Zierpflanzen angeboten werden dürfen. Die Tomaten sind aber bei weitem nicht allein in ihrem Hochbeet. Je länger wir im angenehmen Halbschatten des Mandelbaums stehen, desto mehr entdecken wir: Kohlrabi, Mangold, Bohnen und Rotkohl sind bald reif zur Ernte. 

Ein orangener Kürbis zwischen grünen Blättern
Eine Kürbis hat es sich am Kompost gemütlich gemacht

(Foto: Katrin Roland)

Ein Kürbis im Kompost und eine Einführung in die Hydrologie

Vieles wächst hier nach Plan, einiges aber auch, weil es der Zufall so wollte. Ein orangeroter Hokkaido-Kürbis wuchs zum Beispiel aus dem Kompost heraus. Gleich daneben ein paar Kartoffelpflanzen. Auf dem Weg in das Gewächshaus, das sich Tabea und Jan mit den Nachbarn teilen, passierten wir ein kleines Holztor, das einer Beerenkiwi als Rankhilfe dient. Ein Stückchen weiter halten sich eine Passionsblume und Hopfen am Zaun fest. Obwohl alles zufällig wirkt, hat sich Jan gerade bei diesen Einzelstücken intensive Gedanken darum gemacht, wo sie angepflanzt werden. So bekamen wir ganz nebenbei eine kleine Einführung in die Hydrologie des Gartens. Er liegt leicht abschüssig an einem Hang und neigt sich zusätzlich zu einer Seite hin. Das kann sich der findige Gärtner zunutze machen und beachten, dass sich das Regenwasser unter der Erdoberfläche an der tiefsten Stelle sammeln wird. Welche Pflanze muss davon profitieren, welche eher nicht?

Symbiose zwischen Bakterien und Pflanzen

Im Gewächshaus angekommen standen wir dann vor einer dichten grünen Wand aus Tomatenpflanzen. Auf den ersten Blick, denn auf den zweiten Blick entdeckten wir, dass zwischen den Tomaten auch Bohnen, Gurken, Chilis und Okraschoten wachsen. Diese Pflanzengemeinschaft funktioniert anscheinend prächtig, denn mit der Unterstützung des Gewächshauses wird die Ernte wieder einmal sehr gut ausfallen.

Tabea und Jan im Gewächshaus vor 2 Meter hohen Tomatenpflanzen
Im Gewächshaus fühlen sich nicht nur die Tomatenpflanzen besonders wohl

(Foto: Katrin Roland)

Jan erzählte uns, dass das vor allem den Bohnen zu verdanken wäre. Die Schmetterlingsblütler gingen im Boden eine perfekte Symbiose mit den sogenannten Knöllchenbakterien ein. Diese Pflanzenart ist in der Lage, die Bakterien, die sich an ihren Wurzeln vermehren, mit Zucker aus der Fotosynthese zu versorgen. Im Gegenzug versorgen die Knöllchenbakterien die Pflanze mit Stickstoff, den sie aus der Luft filtert. So können Bohnen, Erbsen und viele weitere Schmetterlingsblütler gezielt dafür eingesetzt werden, die Nährstoffverfügbarkeit im Boden zu verbessern, sodass auch andere Planzen davon profitieren. So befinden sich zur natürlichen Bodenpflege auch im Staudenbeet einige Schmetterlingsblütler.

Zwischen den Tomatenpflanzen blüht eine Bohne
Zwischen den Tomatenpflanzen blüht eine Bohne

(Foto: Katrin Roland)

Mulchen im Internationalen Garten

Tabea und Jan bauen aber nicht nur in diesem Garten Gemüse an. Sie pflegen zwei Parzellen im Internationalen Garten in Alfter. Das Projekt bringt Menschen aus den umliegenden Flüchtlingsunterkünften mit den Anwohnern in Alfter zusammen. Alle profitieren vom Wissen des jeweils Anderen. Tabea und Jan bauen dort Mais, Tomaten, Erbsen, Bohnen, Spinat, Kartoffeln und Zwiebeln an und haben sich außerdem das erste Mal dafür entschieden, die Beete im März mit Heumulch abzudecken. Seitdem haben sie dort keine Pflanze mehr gegossen. Als sie im Mai die Bohnen ernteten, war der Boden immer noch richtig feucht. Der Bodenbelag sorgt nämlich dafür, dass Feuchtigkeit nur langsam und gleichmäßig abgegeben wird.

Außerdem verhindert Mulch den Beikrautwuchs und verrottet laufend zu nährstoffreichem Humus. Ein Boden, der über Jahre hinweg gemulcht ist, speichert große Mengen Wasser. Das ist natürlich kein Geheimnis, gehört zum kleinen Gärtnereinmaleins und ist von der Natur abgeguckt. Schaut man in die Wälder, geschieht dort nichts anderes. Die Blätter, die im Herbst von den Bäumen fallen, verrotten über das Jahr auf dem Boden, halten ihn über den Sommer feucht und versorgen ihn mit wichtigen Nährstoffen. 

Jans Tipps & Tricks zum Mulchen

  • Jede Mulchart mindestens 10 Zentimeter dick auftragen, um Beikraut zu verhindern.
  • Vor dem Mulchen den Boden mit Hornspänen düngen, denn je brauner das Mulchmaterial desto mehr Stickstoff wird zu Beginn der Verrottung benötigt, die in den Hornspänen enthalten ist. Nach ein paar Wochen gibt der Mulch mehr Stickstoff in den Boden ab und düngt ihn. Wird mit Heumulch gearbeitet, empfehle ich eher Pferdedung oder Schafwolle als Dünger (frisch oder in Pellets gepresst), denn Heu benötigt nicht so viel Stickstoff während der Zersetzung.
  • Der beste Mulch für das Staudenbeet ist für mich Rindenmulch (verrottet schneller, kostet aber weniger) oder Pinienrinde (verrottet sehr langsam, ist dafür in der Anschaffung teurer). Fürs Gemüsebeet empfehle ich Heu als Mulchmaterial. Der darf ruhig älter und muss nicht mehr grün sein. 
  • Der beste Zeitpunkt das Staudenbeet zu mulchen ist der Herbst. Das zeitige Frühjahr für das Gemüsebeet. So werden die Stauden & Gemüsepflanzen sofort mit Nährstoffen versorgt, sobald sie austreiben.
Eine Wachtel scharrt in einem Sandplatz in einer Voliere
Eine von zehn Wachteln tanzt im Sand

(Foto: Katrin Roland)

Zehn Wachteln und zwei Corgis im Garten

Während unseres Besuchs wurde es dann noch einmal richtig turbulent und zwar als die beiden Corgis Freya und Frieda in den Garten stürmen. Zum Glück wurden wir nicht als feindliche Eindringlinge eingestuft. Auch die Hunde mit den kurzen Beinen wissen den Garten zu schätzen. Besonders interessant finden sie die Voliere, die gleich an das Staudenbeet angrenzt. Hier wohnen seit über einem Jahr zehn Wachteln. Eine gute Alternative für alle, die aus Platzgründen auf eine Hühnerschar verzichten müssen. Die kleinen Feldhühner benötigen natürlich viel weniger Platz als ihre größeren Verwandten. Anfang September gab es sogar Nachwuchs in der Wachtelwelt. Eine große Überraschung, denn eigentlich sollte es sich laut Züchter ausschließlich um Hennen handeln. Tabea und Jan nehmen dieses Missverständnis mit Humor und die vermeintliche Henne Lotta hört nun auf den Namen Lottus. Und auch sonst geht es ziemlich tierlieb weiter. In der Wohnung leben neben Tabea, Jan und den Hunden in einem Terrarium fünf Bänderschnecken und in einem weiteren die beiden Zwerggeckos Steve und Steve. Die Wasserschildkröte Svantje ist nur zeitweise mit von der Partie, sie wandert vor dem ersten Frost in den Keller und verbringt dort ihren Winterschlaf. Wen dieses bunte Treiben näher interessiert, kann das Leben mit den Tieren auf Instagram unter @lifeonshortlegs verfolgen.

Ein Corgi vor einem Staudenbeet schnüffelt in der Luft
Freya hat ihren Garten fest im Griff

(Foto: Katrin Roland)

Zum Ende haben Tabea und Jan zu einem Tomatentasting geladen. Bemerkenswert wie unterschiedlich die einzelnen Sorten schmecken und wie aromatisch Gemüse ist, das nicht einer Züchtung unterliegt, die auf lange Lager- und Transportfähigkeit abzielt. Die Wachteleier, die wir geschenkt bekommen haben, gab es abends mit einem frischem Roggenbrot, Butter und Salz. Zur Hälfte in der Pfanne gebraten, die andere Hälfte für zwei Minuten gekocht. Danke dafür, ihr lieben Wachteln und Danke an Tabea und Jan, die sich die Zeit genommen haben, uns ihr kleines nachhaltiges Paradies zu zeigen. 

Zwölf Wachteleier in einem blauen Eierkarton.
Zwölf süße Wachteleier - fast zu schade, um sie zu verspeisen

(Foto: Katrin Roland)