Nachhaltigkeit mit Chefkoch

From Nose to Tail - Fleisch wertschätzen

Foto: Pexels / samira

Diesmal geht es in unserer Themenwelt »Nachhaltigkeit mit Chefkoch« um Wertschätzung und insbesondere darum, welche Rolle der Verzehr von Fleisch in einer nachhaltigen Lebensweise spielen kann. 

Bei der Recherche zum Thema Fleischkonsum in Deutschland, habe ich herausgefunden, dass sich dieser in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat. Heute tendiert der allgemeine Geschmack zu mageren Stücken und weil selbst die edlen Teile von Schwein, Rind und Huhn relativ günstig angeboten werden, leisten sich viele ausschließlich Filet, Roastbeef und Brust. Kein Wunder, denn diese lassen sich ohne großen Aufwand schnell und simpel zubereiten. Das war aber nicht immer so und es beschleicht einen der Verdacht, dass dieser Wandel keine guten Auswirkungen auf unsere Welt hat.

Wohin mit Herz, Lunge, Leber und Co. wenn die mageren Fleischstücke schon Abnehmer gefunden haben? Einiges an Innereien wird immerhin verwurstet und zu Tierfutter verarbeitet. Diese Resteverwertung hat aber natürlich ihre Grenzen. Auch wenn der allgemeine Fleischkonsum 2019 in Deutschland um 7 Prozent zurückgegangen ist, hat sich der Verzehr von Innereien in den letzten Jahrzehnten um 90 Prozent verringert. Das muss in die Rechnung einbezogen werden und erklärt, warum weltweit so viele Tiere geschlachtet werden, wie noch nie. Das Gleichgewicht gerät immer mehr in Schieflage.

Um gegen diesen Trend zu arbeiten, hat sich vor einigen Jahren eine Bewegung etabliert, die sich dafür einsetzt, viel mehr von geschlachteten Tieren zu nutzen. Diese Interessengemeinschaft hat sich From Nose to Tail auf die Fahnen geschrieben, was soviel bedeutet wie das Tier möglichst von der Nase bis zum Schwanz zu verwerten. Engagierte Metzger und Köche orientieren sich daran, wie es früher gemacht wurde, als Fleisch und somit auch das Vieh noch etwas wert war. Wo sich heute Hund, Katze und Maus auf dem Wohnzimmersofa räkeln, ist es noch gar nicht so lange her, dass Haushalte ein oder zwei Schweine hielten - zum Eigenverzehr. Auf dem Land sowieso, doch auch bis in die Vororte der größeren Städte grunzte es einem aus kleinen Ställen und Verschlägen entgegen. Das war vielerorts bis in die sechziger Jahre so. 

Für meine Mutter, die in den fünfziger Jahren auf einem Bauernhof in der Eifel aufgewachsen ist, war es vollkommen normal, dass mindestens einmal im Jahr Schlachttag war. Zumeist im Herbst, denn dann füllte sich mit einem Mal die Speisekammer und dieses Tier musste schonmal nicht mehr über die karge Jahreszeit versorgt werden. Am besagten Schlachttag fanden sich die umliegenden Nachbarn hinterm Haus ein. Ein buntes Treiben, bis mein Großvater mit dem Bolzenschußgerät und einem Messer um die Ecke bog. Und natürlich mit einem Schwein oder mit einer Kuh im Schlepptau.

Alles, was in den nächsten Tagen nicht verspeist werden konnte, war am Abend mit vereinten Kräften restlos verarbeitet und haltbar gemacht. Ein Teil des Fleischs war eingeweckt, die Innereien und das Blut waren verwurstet und Schinken und Speck hingen in der hauseigenen Räucherkammer. Lediglich Dickdarm und Knochen blieben übrig, worüber sich noch die Hunde freuten. Die Nachbarn bekamen für die tatkräftige Unterstützung ein Festessen serviert und das Versprechen, beim nächste Mal bei ihnen mit anzupacken. 

Eine solche Szenerie ist heute einfach unvorstellbar. Nicht nur die eigenständige Schlachtung des Tieres, sondern auch seine vollkommene Verwertung. Wir sind es gewohnt, Fleisch ohne jeglichen Zusammenhang einzukaufen. Da wundert es nicht, dass manches in der Tonne landet. Zwar ist der Anteil der Fleischerzeugnisse in unserem Hausmüll relativ gering, das bedeutet aber nicht, dass bei der Fleischproduktion kein Müll entsteht. Ganz im Gegenteil. In den großen Schlachthöfen muss immer mehr entsorgt werden oder es wird billig nach Asien oder Afrika exportiert, wo es den lokalen Markt zerstört.

Müssen wir entweder vollkommen auf Fleisch verzichten oder anfangen Innereien zu essen, um diesem Misstand entgegen zu wirken? Beides wäre nur konsequent, vielleicht geht es aber auch anderes. Wir sollten uns immer wieder bewusst machen, warum Fleisch in manchen Supermärkten und Discountern so günstig angeboten werden kann. Dann verstehe ich die Preise in einer Metzgerei viel besser und weiß zu schätzen, dass da jemand mit Leidenschaft an qualitativ hochwertigen Erzeugnissen arbeitet und im Idealfall ein ganzes Tier aus einer artgerechten Haltung verarbeitet

Es liegt an uns Verbrauchen abzuwägen, was uns das Schnitzel oder das Steak wert ist und vor allen Dingen wie oft. Keine leichte Entscheidung, wenn die günstigen Angebote so präsent sind und der Metzgerbesuch einen weiteren Aufwand bedeutet. Doch der Aufwand hat auch eindeutig seine Vorteile und muss gar nicht so teuer werden, wie gedacht. Denn in der Metzgerei werden wir von ausgebildetem Personal beraten. Tipps zur Zubereitung günstiger Stücke gehören da zum Service. Außerdem unterstützen wir so einen lokalen Betrieb und das ist auch unter nachhaltigen Aspekten immer gut.