Was haben Rotwein, Parmesan und Lakritz gemeinsam? Nichts? Oh doch: Sie können zu Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Niesanfällen führen, wenn man Histamin nicht verträgt. In welchen Lebensmitteln Histamin steckt, welche Symptome für eine Histaminintoleranz typisch sind und was man trotzdem noch essen kann.

Die Histaminintoleranz kann man wohl zu Recht tückisch nennen, denn sie bezeichnet eine Unverträglichkeit gegen eine Gruppe von Lebensmitteln, die eigentlich keine Gruppe ist. Denn die Lebensmittel, die zu den Niesanfällen, Bauchschmerzen und Ausschlag führen, können mal Obst und Gemüse, mal Fisch und mal der Essig sein. Es sind nicht die Milchprodukte, wie bei einer Laktoseintoleranz oder das Obst und Gemüse, wenn man eine Fruktoseintoleranz hat. Es sind die Sojasauce, die Salami, das Sauerkraut, der Wein, das Bier oder der Sekt, die zu den Kopfschmerzen führen.

Auch die Symptome der Histaminintoleranz sind unspezifisch – sie treten an allen Stellen des Körpers auf: Der Haut, dem Magen-Darm-Trakt oder dem Herz-Kreislaufsystem. Betroffene einer Histaminunverträglichkeit sind dann oft ratlos, denn „Dermatologe, Gastroenterologe und Kardiologe: Alle sagen, dass Sie gesund sind, aber Sie haben trotzdem Kopfschmerzen oder ständig Bauchschmerzen“, weiß die Oecotrophologin Anne Kamp zu berichten. Und dann treten die Symptome mal nach wenigen Minuten, mal Stunden später und manchmal sogar erst am nächsten Tag auf, nachdem sie Histamin aufgenommen haben: Dann noch zu erkennen, dass die Schmerzen, Niesanfälle oder der Ausschlag auf das Essen zurückzuführen sind, ist schwierig.

Doch damit noch nicht genug: Auch die Hormone spielen eine Rolle, erklärt die Expertin: „Überlegen Sie mal, wie kompliziert das ist: Manche Frauen haben letzte Woche noch problemlos Parmesan gegessen und eine Woche später haben sie auf einmal Bauchschmerzen: Da braucht man schon eine Ernährungsfachkraft, die einem hilft, zu verstehen, dass manche Frauen nur prämenstruell auf Histamin reagieren.“

Schon gewusst!?

Wie viele Menschen Histamin nicht vertragen, ist nicht bekannt: Schätzungen schwanken zwischen ein bis drei Prozent der Bevölkerung. Frauen zwischen 35 und 45 Jahren sollen mit etwa 80 Prozent der Patienten den größten Teil der Gruppe ausmachen, die unter einer Histaminintoleranz leidet.

Was ist Histamin?

Histamin ist ein Hormon, das der Körper selber bildet und das dem Stoffwechsel bei seiner Arbeit hilft. So sorgt Histamin für eine Entspannung der Blutgefäße, so dass der Blutdruck sinkt und die Blutgefäße sich weiten. Außerdem ist Histamin bei der Abwehr und bei allergischen Reaktionen beteiligt. So schüttet der Köper etwa bei einer Pollenallergie Histamin aus. Das merkt man, denn der ganze Organismus reagiert darauf: Haut, Magen-Darm-Trakt und Herz-Kreislauf-System springen auf die hohen Histaminwerte an und zeigen die typischen Allergie-Symptome, wie Rötungen, Juckreiz, Durchfall, Magenkrämpfe, Herzrasen, Schwindel, Niesanfälle und Migräne. Hat man eine Histaminintoleranz, können sich die gleichen Symptome zeigen, nur dass kein Allergen der Auslöser der Symptome ist sondern das Histamin im Essen.

Salami enthält viel Histamin

Histamin entsteht nämlich nicht nur im Körper; Histamin steckt auch in vielen Lebensmitteln. Meistens bildet sich Histamin erst im Lebensmittel, während dieses reift oder gärt. Sofern es Eiweiß enthält. Denn Histamin entsteht, wenn die Aminosäure Histidin abgebaut wird. Viel Histamin ist deshalb in gereiftem Hartkäse, fermentierten Lebensmitteln wie geräuchertem Fleisch und Wurst, aber auch in Innereien, Fischkonserven und Meeresfrüchten enthalten. „In eiweißreichen Lebensmitteln können die Histaminwerte schwanken“, weiß die Ernährungsexpertin Anne Kamp. „Das hängt davon ab, wie lange das Fleisch, der Fisch oder der Käse lagert.“ Deshalb gilt bei einer Histaminintoleranz die Faustregel: je frischer, desto besser.

Histaminintoleranz: Diagnose und Therapie

Eigentlich baut der Körper das Histamin mit Hilfe eines Enzyms, der Diaminoxidase, ab. Bei einer Histaminintoleranz scheint dieser Mechanismus aber nicht mehr ausreichend zu funktionieren – wissenschaftlich abgesichert ist diese Annahme allerdings noch nicht. „Bislang gibt es noch keine ärztliche Diagnostik für eine Histaminintoleranz“, erklärt Anne Kamp. „Deswegen wurde die Histaminintoleranz vor ein paar Jahren auch noch belächelt und viel kritisiert. Aber inzwischen gibt es immer mehr ernst zu nehmende Studien, die das Gegenteil zeigen, sodass auch einstige Kritiker sagen: ‚Da scheint doch etwas dran zu sein.‘“ Die Oecotrophologin ist selber zu 100 Prozent überzeugt, dass es die Histaminintoleranz gibt. „Das merke ich auch in meiner Praxis. Schon nach einer Woche histaminarmer Ernährung fühlen sich die Betroffenen besser – das kann kein Zufall sein.“

Mit einer histaminarmen Ernährung fängt auch die Therapie der Histaminintoleranz an: Wenn klar ist, dass die Symptome keine andere Ursache haben und der Verdacht einer Histaminintoleranz besteht, verzichten die Patienten die nächsten vier Wochen auf Histamin. „Eine histaminfreie Ernährung ist unrealistisch, aber histaminarm - das ist möglich“, sagt Anne Kamp. Die Ernährungsexpertin hilft den Patienten in solchen Fällen mit einem genauen Plan, welche Lebensmittel gegessen werden können, welche zu meiden sind und achtet darauf, dass sie trotzdem noch alle Nährstoffe bekommen. Dabei reicht es nicht, nur auf die Lebensmittel zu verzichten, die viel Histamin enthalten. Vielmehr sind drei Gruppen von Lebensmitteln zu meiden:

  1. Lebensmittel, die viel Histamin liefern, wie Salami, Sauerkraut, lang gereifter Käse.
  2. Lebensmittel, die andere biogene Amine als Histamin enthalten. Denn sie werden mit dem gleichen Enzym abgebaut wie Histamin. Nehmen wir sie auf, baut das Enzym diese Amine sogar bevorzugt ab, so dass kaum noch Enzyme für das Histamin übrig bleiben. Zu diesen Aminen gehören Tyramin, Phenylethylamin und Serotonin, die in Banane, Ananas, Cashewnüssen, Walnüssen und Schokolade zu finden sind.
  3. Lebensmittel, die Histamin aus dem Körper freisetzen oder aktivieren, wie Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Tomaten, Meeresfrüchte, Alkohol und Glutamat.

Das darf ich trotz Histaminintoleranz essen

Häufig bemerken Männer und Frauen ihre Histaminintoleranz nach einem gemütlichen Abend mit Rotwein und Käse: Dieses Festmahl führt bei den Betroffenen oft zu einer starken Migräne am nächsten Tag – der Grund kann das Histamin sein. Denn in Käse, vor allem in lang gereiftem Käse, ist sehr viel Histamin enthalten. Zudem gilt Rotwein als Hauptauslöser einer Histaminunverträglichkeit. Der Grund dafür ist der Alkohol: Erstens wird Histamin aus Getränken schneller aufgenommen als aus Lebensmitteln. Zweitens sorgt der Alkohol dafür, dass das Histamin besser vom Darm in die Blutbahn aufgenommen wird. Drittens hemmt Alkohol das Enzym, das das Histamin abbauen würde. Und viertens sorgt es dafür, dass der Körper sein gespeichertes Histamin ausschüttet.

Je nach Frische des Nahrungsmittels, Lagerbedingungen und Herstellungsverfahren kann die Menge des Histamin schwanken, wenn ein Lebensmittel Eiweiß enthält. Genaue Werte über die Menge des Histamins zu bekommen, ist daher kaum möglich. Dennoch kann ein Blick auf die ungefähren Werte des Histamins in 100 g Lebensmittel helfen, einen Eindruck darüber zu bekommen, wie stark die Werte schwanken können:

  • In jungem Gouda sind beispielsweise etwa 1 mg Histamin pro 100 g enthalten, in altem, lange gereiftem Gouda können es etwa 85 mg Histamin pro 100 g Lebensmittel sein.
  • Ähnliches gilt für Schweinefleisch: 100 g frisches Schweinefleisch kann etwa bis zu 4,5 mg Histamin enthalten, in 100 g Salami können bis zu 45 mg Histamin stecken.
  • Ebenso deutlich wird der Unterschied bei Fisch: 100 g frischer Thunfisch enthält etwa bis zu 6 mg Histamin. Die gleiche Menge Thunfisch aus der Dose enthält bis zu 64 mg Histamin.

Das verdeutlicht noch einmal, wie wichtig es ist, bei einer Histaminintoleranz auf frische Produkte zu achten.

Welche Lebensmittel Betroffene einer Histaminunverträglichkeit noch vertragen und welche sie besser meiden sollten, sehen Sie anhand dieser Grafik. Hierin sind auch Lebensmittel aufgeführt, die zwar kein Histamin enthalten, aber trotzdem bei einer Histaminintoleranz berückichtigt werden sollten, weil sie entweder Histamin aus dem Körper freisetzen können oder den Abbau von Histamin einschränken. Nach einem Klick auf eine Lebensmittelgruppe erscheinen die Lebensmittel, die sie trotz Histaminintoleranz vertragen oder besser meiden sollten:

Interview mit Oecotrophologin Anne Kamp

Was kann man bei einer Histaminintoleranz noch essen? Oecotrophologin Anne Kamp gibt Tipps.

Histamin kommt in fast allen Lebensmitteln vor – und die Menge an Histamin verändert sich je nachdem, wie lange das Produkt lagert. Was kann man bei einer Histaminintoleranz noch kochen und essen?

Anne Kamp: „Obst, Gemüse und Getreideprodukte sind eigentlich unproblematisch. Und solange Fleisch, Fisch und Käse frisch sind, sind sie auch meist gut verträglich. Nur beim Zubereiten von Fleisch und Fisch gibt es eine Umstellung, denn da gilt: Alles, was unter 20 Minuten gegart wird, ist okay, länger gebratenes und gekochtes schon nicht mehr. Bei der Planung ist die einzige große Umstellung, dass Sie Fleischgerichte nicht mehr aufwärmen können. Verträgt man Histamin nicht, muss man einfach mehr frisch kochen. Fleischlos kann jedoch problemlos aufgewärmt werden. Da es sehr einweißarm ist, kann auch kein Histamin entstehen.“

Bei einer Histaminunverträglichkeit muss man jeden Tag frisch kochen? Was bedeutet das für das Einkaufen?

„Das Einkaufen ist etwas aufwändiger und vor allem am Anfang eine Umstellung, das ist klar. Aber das relativiert sich mit der Zeit und ist absolut alltagstauglich: Kartoffeln, Gemüse, Brot und Obst können Sie eigentlich wie gewohnt einkaufen und lagern. Vorsichtig müssen Sie nur bei eiweißreichen Lebensmitteln sein, weil sie Histamin bilden, während sie lagern und reifen. Deshalb sollten Fleisch und Fisch nur höchstens eine Nacht im Kühlschrank liegen. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Ein paar Produkte sind aber auch gänzlich von der Einkaufsliste zu streichen: Fertigprodukte gehen in der Regel bei einer Histaminintoleranz nicht mehr. Und statt dem rohen Schinken gibt es gekochter Schinken, statt eingelegten Fisch lieber frischen Fisch… Aber bald hat man raus, was funktioniert."

Wenn vor allem Fleisch und Fisch viel Histamin enthalten können, wäre dann eine vegetarische Ernährung nicht die optimale Lösung bei einer Histaminintoleranz?

„Manche profitieren tatsächlich von einer vegetarischen und sogar veganen Ernährung. Aber ich würde nicht empfehlen, auf das Eiweiß zu verzichten, sondern stattdessen lieber auf frische Produkte zu achten. Damit kommt man gut zurecht im Alltag. Auch eine vegane Ernährung würde ich nicht empfehlen. Wenn man sich nicht wirklich gut damit auskennt, besteht sonst die Gefahr einer Mangelversorgung.“

Wie sieht es denn aus, wenn ich mal zu Freunden zum Essen eingeladen bin? Da habe ich wenig Einfluss auf das Essen und somit auch wenig Einfluss auf das Histamin…

„Es ist absolut verständlich, dass man auf einer Party mal nicht auf das Histamin achten möchte. Ganz nach dem Motto ‚das ist es mir wert‘ kann man dann auch mal die Symptome in Kauf nehmen oder man nimmt eine Enzymtablette. Eine Dauerlösung sind diese Tabletten schon aus Kostengründen allerdings nicht: Eine Tablette kostet etwa 1 Euro und pro Tag bräuchte man sicher 1-2 Enzymtabletten. Aber es ist auch nicht nötig, normalerweise ist es recht einfach möglich, auf das Histamin zu achten.“

Wie sieht es mit anderen Länderküchen aus? Wo kann man am besten Urlaub machen, wenn man Histamin nicht verträgt?

„Am besten dort, wo Sie sich selber verpflegen können. Typische Länderküchen sind leider nicht so einfach bei einer Histaminintoleranz. In der mediterranen Küche wird viel mit Tomaten gekocht. In der deutschen Küche serviert man gerne lang gegartes Fleisch wie Roulade oder Gulasch. In der asiatischen Küche kocht man zwar viel frisch, aber es kann sein, dass Glutamat oder Hefeextrakt drin ist. So gibt es überall seine Tücken.“

Wenn Hefeextrakt bei einer Histaminintoleranz nicht vertragen wird, wie sieht es dann mit Hefe aus? Oder Brot?

„Hefe wird auf jeden Fall vertragen – das ist ein ganz altes Gerücht, das sich leider hartnäckig hält. Manche Patienten kommen dann zu mir und sagen, dass sie frisches Brot nicht vertragen. Aber ganz frisches Brot ist für viele gesunde eine Herausforderung – das hat nichts mit der Histaminintoleranz zu tun. Isst man das gleiche Brot einen Tag später, ist es wieder problemlos verträglich und da ist ja noch immer Hefe drinnen. Das Hefeextrakt hat nichts mit der Hefe zu tun.“

Zur Person 

Anne Kamp

ist Diplom Oecotrophologin und Buchautorin. Sie arbeitet als zertifizierte Ernährungsberaterin mit eigener Beratungspraxis in Neuenkirchen. Dort berät sie unter anderem Patienten mit Histaminintoleranz.

Copyright Foto: Kamp

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